Abschied in Heiligenstadt: Für eine Eichsfelder Bank endet eine Ära

(Quelle: Thüringer Allgemeine vom 02.06.2023 / Silvana Tismer)

In der Stadthalle in Heiligenstadt wird ein „Dinosaurier“ in den Ruhestand verabschiedet. Die VR-Bank Mitte sieht sich trotz Inflation und Krisen für die Zukunft gut gerüstet.

Für Uwe Linnenkohl war es ein persönlicher Meilenstein, für den Rest in der Stadthalle der Abschluss eines erfolgreichen Geschäftsjahres. Die VR-Bank Mitte hatte Mittwochabend nach Heiligenstadt zur Vertreterversammlung eingeladen. Natürlich gab es die obligatorischen Berichte, Abstimmungen und Wahlen.

Aber für Uwe Linnenkohl war es ein Abschied. Er hatte am Mittwoch seinen letzten Arbeitstag. Dass der bis in den Abend hineinging, störte ihn nicht. Als es am Ende stehende Ovationen gab, wurde er sogar ein bisschen sentimental. So ganz werde man ihn nicht los, meinte er lächelnd. Er wolle auf jeden Fall im kommenden Jahr bei der Vertreterversammlung dabei sein, schließlich habe er ja fast die Hälfte des Geschäftsjahres 2023 mitzuverantworten.

Eine Ehrennadel und die Sache mit dem Herz

Fast 43 Jahre – genau 42 Jahre, neun Monate, vier Wochen und zwei Tage – war Uwe Linnenkohl ein Teil der, wie sie früher hieß, Volksbank, heute nach Fusionen heißt sie VR-Bank Mitte. Seine Laufbahn begann in Witzenhausen, 33 Jahre war er in Führungsverantwortung, 20 Jahre Vorstandsmitglied. Als er 1980 in Witzenhausen begann, habe die Bilanzsumme der Bank 250 Millionen DM betragen. „Für die Jüngeren unter Ihnen, das waren etwa 125 Millionen Euro“, wandte sich Björn Henkel an das schmunzelnde Publikum. Der Jahresabschluss 2022 der VR-Bank Mitte hingegen lag bei 2,7 Milliarden Euro.

Marco Schulz vom Vorstand des Genossenschaftsverbandes hatte ebenfalls nicht den Weg nach Heiligenstadt gescheut, um Linnenkohl persönlich zu verabschieden. Er überreichte ihm zudem die Ehrenurkunde und Ehrennadel in Gold des Verbandes, die höchste Auszeichnung, die zu vergeben ist. Damit hatte Linnenkohl nicht gerechnet. Und in einem großen herzförmigen Rahmen hatte das Team eine Collage mit Fotos der vergangenen Jahre zusammengestellt.

Das Herz kam nicht von ungefähr, spielt es als Symbol doch eine wichtige Rolle. Es gibt den Herzenspreis der Bank, für den sich jährlich Vereine bewerben dürfen, auch die von Linnenkohl gegründete bankeigene Stiftung trägt den Namen „Mit Herz für die Region“. 300.000 Euro wurden 2022 für solche Herzensprojekte in der Region ausgereicht. Aufsichtsratsvorsitzender Jörg Bringmann würdigte den scheidenden Vorstand Linnenkohl als Teamplayer, einen Vorstand zum Anfassen. „Bodenständig, beliebt, weitsichtig, wertschätzend und immer auf Augenhöhe mit den Menschen. Das ist ein sehr große Fußabdruck“, fasste er zusammen.

Zuvor hatten sich die rund 120 Vertreter über die Bilanz, den Jahresabschluss und den Ausblick für 2023 informieren lassen. Immerhin ging es um die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Neuwahl einiger Aufsichtsratsmitglieder, die turnusmäßig ausschieden, aber komplett wiedergewählt wurden.

Künftig ein Dreigestirn im Vorstand

Die Versammlung war zudem die Gelegenheit, die beiden „Neuen“ im Vorstand vorzustellen. Bettina Fuhlrott und Jan Michalek werden zukünftig mit Björn Henkel das Dreigestirn bilden. Bettina Fuhlrott ist ein „Eigengewächs“ des Hauses, seit 26 Jahren dabei. Jan Michalek wechselt von der Volksbank Kurpfalz in die Mitte Deutschlands. Er suche immer noch den Haken an der ganzen Sache und werde nicht fündig, meinte er. Er sei sicher, hier eine neue Heimat zu finden.

Björn Henkel aber ließ nicht unerwähnt, dass 2023 kein leichtes Jahr werde. Erst Corona, dann der Ukrainekrieg, Inflation und wieder höhere Zinssätze, nannte er. „Das alles verbunden mit vielen negativen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft“, sagt Henkel. Ja, man befinde sich in einer „Zeitenwende“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte. So sei beispielsweise die Nachfrage nach Baufinanzierungen nahezu zum Erliegen gekommen, dafür aber die Nachfrage nach Unterstützung für Sanierung und Renovierung gestiegen.

Es finde auch bei den Kunden ein digitaler Wandel statt. Alles in allem befinde man sich in der Transformation auf mehreren Ebenen. So habe eine neue Ära für die Weltwirtschaft und die Kapitalmärkte begonnen. Damit stellen sich auch für die VR-Bank Mitte neue Aufgaben und Herausforderungen. Aber man sei eine robuste Bank. Noch immer sei das Ziel, 50.000 Mitglieder zu haben, aktuell seien es etwa 49.600. „Das schaffen wir auch noch“, so Henkel.