VR-Bank-Vorstand Uwe Linnenkohl geht in Ruhestand

(Quelle: HNA vom 01.06.2023 / Tobias Stück)

Vom Auszubildenden, der nebenbei auch noch Dünger aus dem Warenlager verkauft hat, bis zum Vorstand einer Regionalbank mit 2,5 Milliarden Euro Bilanzsumme, dazu 43 Jahre in ein und demselben Unternehmen – eine Karriere, wie sie Uwe Linnenkohl bei der VR-Bank hingelegt hat, wird es so in Zukunft wohl nicht mehr geben. Die Arbeitswelt hat sich in dieser Zeit rasant verändert. Der 61-Jährige hat viele Entwicklungen nicht nur mitgemacht, sondern auch gestaltet. Diese Karriere wird am Mittwochabend mit der Vertreterversammlung in Heiligenstadt enden. Ab Donnerstag beginnt seine passive Phase der Altersteilzeit.

Die konjunkturell guten 1980er-Jahre, die Wendezeit, die schwierigen Jahre der VR-Bank Ende der 1990er-Jahre, die Bankenkrise zu Beginn der 2000er-Jahre, eine lange Niedrigzinsphase und die Fusion der VR-Bank Werra-Meißner zur VR-Bank Mitte 2019 haben seinen beruflichen Lebensweg geprägt. Dabei hat der Neu-Eichenberger die Probleme, die in seiner Karriere auftraten, gerne als Chance gesehen, neue Strukturen zu etablieren. „Die Herausforderungen haben oftmals die Prozess- und Kostenoptimierung beschleunigt“, sagt er rückblickend.

1980 hat Linnenkohl seine Ausbildung bei der Raiffeisenbank Witzenhausen begonnen. „Ich habe mich als Allrounder gesehen in meinem Job“, sagt Linnenkohl. In den Filialen auf den Dörfern hat er auch das Warenlager noch bedient und für die Landwirte Säcke auf die Rampe geschleppt. „Heute unvorstellbar“, sagt der zweifache Familienvater. Banker seien heute Spezialisten in ihrem Fachgebiet, die die Kunden auf den Punkt beraten. Und auch die Präsenz in der Fläche der Banken hat abgenommen. „Aus betriebswirtschaftlichen Gründen ist ein großes Filialnetz nicht mehr darstellbar“, sagt Linnenkohl, der Verständnis hat, wenn Kunden den guten alten Zeiten nachtrauern. Er hat aber zunehmend festgestellt, dass Kunden auch Verständnis für die Entscheidungen der Banken hätten und eine Fahrtstrecke zur Beratung in Kauf nehmen würden.

Uwe Linnenkohl hat in seiner Karriere viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Insbesondere bei Fusionen, von denen er an wenigstens drei maßgeblich beteiligt war, war es seine Aufgabe sowohl Kunden als auch Mitarbeiter mitzunehmen. Direkt nach der Grenzöffnung hat die Witzenhäuser Bank die Filiale in Heiligenstadt übernommen, die Linnenkohl aufgebaut hat. 2000 fusionierten die Volks- und Raiffeisenbanken im Werra-Meißner-Kreis zur VR-Bank Werra-Meißner. 2002 wurde Linnenkohl hier Generalbevollmächtigter, 2003 in den Vorstand berufen. Hier hat er sich 20 Jahre erfolgreich behauptet und 2019 die Fusion der VR-Banken aus dem Eichsfeld, Göttingen, Northeim und dem Werra-Meißner-Kreis mitgestaltet.

Die Fusion wäre unabhängig von einer wirtschaftlichen Problemlage so oder so gekommen, sagt Linnenkohl. Genossenschaftsbanken in Deutschland hätten eine durchschnittliche Bilanzsumme von rund 1,5 Milliarden Euro. Deshalb sei die Form der VR-Bank Mitte für die nächsten Jahre stabil. „Wir brauchten aber Größe, um uns am Markt zu behaupten und auch, um als attraktiver Arbeitgeber in der Region wahrgenommen zu werden.“ Die Ausbildungsplätze werden Jahr für Jahr noch alle besetzt, die Mitarbeitergewinnung sei aber schwieriger geworden. Und auch die Mitarbeiter zu halten sei nicht einfach. Deswegen bietet die Bank Weiterbildungen an. „Die Neigung, nach einiger Zeit etwas anderes zu machen, ist aber größer geworden“, sagt Linnenkohl. Auch deshalb wird eine Karriere wie seine wohl nicht so schnell wiederholt werden. (Tobias Stück)