Das sagt der Chef der VR-Bank Mitte zum Abschied

43 Berufsjahre als Banker

(Quelle: Göttinger Tageblatt vom 01.06.2023 / Ulrich Meinhard)

Es ist der 1. August 1980. Der Jugendliche Uwe Linnenkohl beginnt mit seiner Ausbildung. Sein erster Tag bei der Raiffeisenbank Witzenhausen verläuft für einen angehenden Bankkaufmann ganz klassisch: Vorstellungsrunde und dann erst einmal Kontoauszüge sortieren satt. Das ist jetzt 43 Jahre her. Am Mittwoch hatte Linnenkohl seinen letzten Arbeitstag. Aus dem einstigen Lehrling ist ein Vorstandsmitglied geworden. Der 62-Jährige leitete gemeinsam mit Björn Henkel die VR-Bank Mitte mit Sitz in Duderstadt, eine „Mitmachbank“, wie er sagt. Die Vertreterversammlung am Mittwochabend bildete den Abschluss seiner beruflichen Tätigkeit. Am Donnerstag beginnt für ihn die Altersteilzeit. Was hat der Mann als Banker erlebt? Was will er künftig machen? Hat er einen Anlagetipp?

Ein einschneidendes Erlebnis sei für ihn die Wiedervereinigung 1990 gewesen, sagt Linnenkohl. Sie bot dem damals 28-Jährigen die Möglichkeit, Führungsverantwortung zu übernehmen. Denn die Raiffeisenbank Witzenhausen war das erste hessische Geldinstitut, das mit einem thüringischen fusionierte. Aus der Bäuerlichen Handelsgenossenschaft (BHG) Heiligenstadt entstand die Raiffeisenbank Heiligenstadt. „In dem Kontext sind mir Aufstiegsmöglichkeiten geboten worden.“

Die Aufbauarbeit in Heiligenstadt hat Spaß gemacht

Linnenkohls Chef kam auf ihn zu und sagte geradeheraus, er brauche jemanden, der ein breites Wissen hat und auch integrative Fähigkeiten. Beides sehe er in ihm. In der Nacht der Grenzöffnung stand Linnenkohl bei Hohengandern am Grenzübergang. „Das war schon ein echtes Erlebnis. Aber dann rüber zu fahren und dort zu arbeiten, war dann noch mal was anderes.“ Das sei eine richtig gute Zeit gewesen: „Das hat Spaß gemacht. Alle waren offen, wissbegierig. Sie wollten die Veränderung gestalten.“ Noch heute habe er Kontakt zu Kunden, die er in Existenzgründungen begleitet hat.

Ende der 1990er-Jahre kamen in der Bankenwelt Kreditrisiken hoch. Ab sofort galt das qualitative Zweitvotum. Das bedeutete, dass Kundenkredite nur noch nach dem Vier-Augen-Prinzip vergeben werden durften: einerseits der Berater und zudem jemand von der Qualitätssicherung. „Da hat mir der gleiche Chef gesagt, er brauche jemanden, der beide Seiten gut austarieren kann: einmal die Marktdenke und dann die Risikodenke.“

Der Berufsweg zeichnete sich so ab: Sport oder Wirtschaft

Im Jahr 2000 kam es in der Region zu einer großen Fusion aus drei Banken mit Raiffeisenbank Witzenhausen, Volksbank Hessisch-Lichtenau und Raiffeisenbank Eschwege. In diesem Kontext wurde Linnenkohl 2002 Generalbevollmächtigter – verbunden mit der Absicht, ihn zum Vorstand zu bestellen. Was dann auch ein Jahr später geschah.

Der Berufsweg war für den von Jugend an sportlich ambitionierten Nordhessen recht früh klar. Am Anfang stand eine persönliche Grundsatzentscheidung: entweder Sportinternat Bad Sooden-Allendorf oder Abitur in Witzenhausen mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Verwaltung. Die Entscheidung fiel auf Bankkaufmann. Die Genossenschaftsidee, nämlich die Beteiligung an einer Bank, die Möglichkeit, mitbestimmen zu können, dieses Basisdemokratische habe ihm gefallen. In den 1980er-Jahren studierte Linnenkohl berufsbegleitend, Abschluss Bankfachwirt.

Banken brauchen heute eine gewisse Größe und Strahlkraft

Das Ziel der VR-Bank Mitte nach der Fusion mit der VR-Bank Werra-Meißner im Jahr 2019, über den Markt zu wachsen, sei in den vergangenen Jahren gelungen. Besonders im Jahr 2022. Die Fusion sei nötig gewesen, um eine gewisse Größe zu erzielen, die wiederum eine gewisse Schlagkraft ermögliche. „Das Angebot der Banken wird immer spezieller. Sie brauchen immer mehr Spezialisten.“ Ein großes Haus können sich Fachleute eher holen als ein kleines, erläutert Linnenkohl. Eine gewisse Größe und Strahlkraft erzeuge Aufmerksamkeit auf dem Arbeitsmarkt.

Das Problem der Genossenschaftsbanken deutschlandweit ist es, dass sie die Zahl ihrer Mitglieder nur mit Mühe halten können. Den demografischen Wandel, das heißt, das Versterben von Mitgliedern, bekommen auch die Banken zu spüren. „Wir sind dabei, neue Mitglieder dazuzugewinnen. Unser Ziel ist es, nach Möglichkeit noch in diesem Jahr wieder auf die 50.000 zu kommen. Also: Die Idee lebt. Es sind vor allem auch junge Menschen, die sie interessant finden“, weiß der Banker.

Weltumseglung oder den Garten in Schuss bringen?

Doch nun beginnt für den 62-Jährigen eine neue Lebensphase. Was steht da primär an: die Weltumseglung oder den Garten in Schuss bringen? Linnenkohl muss nicht lange abwägen. Es ist der Garten. Auch am Haus müsse jetzt einiges gemacht werden. „Und ich bin nicht der Banker mit zwei linken Händen. Ein gewisses handwerkliches Geschick habe ich schon“, schätzt sich Linnenkohl ein. Er ergänzt: „Ich komme vom Land. Ich bin mir meiner Wurzeln bewusst und bin auch stolz auf sie.“ Das korrespondiere mit seinem Lebensmotto: „Du musst immer wissen, wo du hin willst, solltest aber nie vergessen, wo du herkommst.“

Fällt das Scheiden schwer? „Ich bin zufrieden mit dem, wie es gelaufen ist. Da steckt viel Herzblut drin. Es wird für mich nicht einfach zu sagen: Ich bin dann mal weg.“ Welchen Tipp würde der scheidende Bankvorstand seinem Nachfolger geben, wenn der denn fragen würde: „Wir können nur im Team erfolgreich sein“, lautet die Antwort. Und kann er noch unter der Hand einen Anlagetipp geben? „Jeder, der Kapital anspart, braucht eine Struktur. Und die ist davon abhängig, was für ein Typ er ist. Also: Bin ich eher konservativ oder bin ich ein Zocker.“ Das herauszuarbeiten, das sei eine gute, das sei genossenschaftliche Beratung.